Helmut Leopold leitet am AIT das Center for Digital Safety & Security und spricht im Interview darüber, wie Unternehmen von Datenräumen profitieren.
Kürzlich fand das Kick-off von EDDIE, einer vom AIT koordinierten Initiative zur Schaffung eines europäischen Energiedatenraums, statt. Was genau verstehen Sie unter einem Datenraum und wo liegen die konkreten Mehrwerte für Unternehmen?
Helmut Leopold: Der Begriff „Datenraum“ beschreibt Daten als auch Onlinedienste, Vereinbarungen, Regeln und Standards, um einen Datenaustausch nach kommerziellen Mechanismen zwischen verschiedenen Teilnehmenden im Datenraum zu ermöglichen und dadurch von globalen Monopolanbietern unabhängig zu werden. Wichtige Designprinzipien dafür sind die Sicherstellung von Datensouveränität durch föderierte IT-Architekturen, damit die Kontrolle über die Verwendung der Daten bei den Datenbesitzern bleibt. Unternehmen können darin vergleichbar mit Marktplätzen über Online- Plattformen einfach benötigte Daten finden, diese online erwerben und sie mit eigenen Daten verknüpfen und verarbeiten, um neue Geschäftsmodelle oder Produktvorteile zu realisieren.
Welche konkreten Best-Practice-Beispiele für Datenräume – zum Beispiel in Produktion, Mobilität, Gesundheit – gibt es bereits und wie können sich österreichische Unternehmen daran beteiligen?
Bisher sind die Bereiche Automotive und Produktion Vorreiter, um Ansätze für die Verbesserung von Ressourcenmanagement, Lieferketten oder die Schaffung neuer Produktangebote zu erreichen. Ein konkretes Beispiel sind Produktpässe, die alle Daten eines Produkts im Lebenszyklus verbinden. Damit können Prozesse während des Betriebs bis hin zum Recycling optimiert werden. Derzeit sind weitreichende Open-Source-Entwicklungen im Gange, damit Unternehmen aus den unterschiedlichsten Domänen ein einfacher Einstieg bei der Nutzung und für die Gestaltung der neuen Datenservices ermöglicht wird. In anderen Domänen wie Energie, Mobilität oder Gesundheit, aber auch sektorübergreifend, sind ebenfalls europäische Initiativen in Umsetzung. Der Gaia-X Hub Austria unterstützt Unternehmen, um an diesen Initiativen teilzunehmen und Potenziale für ihre eigenen Geschäftsbereiche abzuleiten.
Unternehmen sollten in der ersten Phase das Informationsangebot des Gaia-X Hubs Austria nutzen, um erste Erfahrungen zu sammeln und einen Beitrag zur Definition von Unternehmensstrategien zu erhalten. In der zweiten Phase ist die Teilnahme an Pilot- und Evaluierungsprojekten auf nationaler oder EU-Ebene empfehlenswert.
Welche Bedeutung hat die Datensouveränität für Europa? Welche Rolle kommt Initiativen wie Gaia X zu und wie wirkt dabei der Gaia-X Hub Austria?
Eine nachhaltige Datensouveränität Europas ist eine unverzichtbare Grundlage für die positive Entwicklung unserer freien Demokratie als auch für die Sicherstellung einer globalen Wettbewerbsfähigkeit unseres Wirtschaftsraums.
Der Gaia-X Hub Austria positioniert sich dabei als Serviceorganisation für österreichische Unternehmen. Einerseits werden dadurch Informationen, Wissen und verfügbare neue Technik und neue Services sowie Beispiele neuer Geschäftsmodelle vermittelt, andererseits wird bei der Vernetzung zu nationalen oder EU-weiten Aktivitäten unterstützt.
Wo stehen österreichische Unternehmen und Organisationen im Bereich Datennutzung und in welchen Bereichen sehen Sie Handlungsbedarf? Was raten Sie Unternehmen?
Erste österreichische Unternehmen sind bereits bei entsprechenden EU-Innovationsinitiativen zur Schaffung von Datenmärkten in einer führenden Rolle eingebunden. Auch verschiedene Forschungseinrichtungen haben schon Know-how und Kompetenzen in Österreich aufgebaut. Wir empfehlen Unternehmen, diese Möglichkeiten zu nutzen und sich in diesen Initiativen aktiv einzubringen.
Was wünschen Sie sich von der Politik?
Durch die Unterstützung des Gaia-X Hub Austria, initiiert durch das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK, Anm.) als auch durch das Staatssekretariat für Digitalisierung und Telekommunikation, konnte im EU-Vergleich ein Vorzeigemodell für die Unterstützung der lokalen Wirtschaft etabliert werden. Im nächsten Schritt ist es wichtig, aktiv nationale Fördermaßnahmen zu gestalten, damit österreichische Organisationen sich in diesen neuen Daten-Ökosystemen im internationalen Kontext positionieren können. Zusätzlich ist die Einbindung von öffentlichen Organisationen als Datenprovidern in zukünftigen Datenmarktplätzen eine Voraussetzung dafür, um unsere globale Wettbewerbsfähigkeit sicherzustellen.
© Dieser Text erschien zuerst in der Märzausgabe des Magazins „iv-positionen“.